Homeoffice & Homeschooling – Wie aus der Arbeit im Krisenmodus ‚New Work‘ entstehen kann

„Papa, was ist die Quadratur des Kreises?“ fragt der Sohn den Vater, die am Vormittag am Küchentisch sitzend ihrer Arbeit nachgehen. „Homeschooling und Homeoffice“ antwortet dieser.

Diese ‚Karikatur‘ ist während des ersten Lockdowns entstanden und beschreibt zutreffend die Wirklichkeit in vielen Familien. Es war und ist Schule und Arbeit im Krisenmodus die Väter und vor allem auch Mütter überfordert und an den Rand der Belastungsgrenze gebracht hat, vielfach auch darüber hinaus. Es lohnt sich aber dennoch genauer hinzusehen:

Denn die aus der Not entstandenen Maßnahmen haben in den vergangenen 2 Jahren Arbeitsabläufe nachhaltig verändert und das hat auch Auswirkungen auf das zeitliche Engagement von Vätern in der Familie. Das wurde bereits bei einer im Sommer 2020 veröffentlichten Studie[i] des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung deutlich: Väter reduzierten ihre Erwerbsarbeitszeit an einem normalen Werktag um 2,4 Stunden, das ermöglichte Ihnen die täglich für die Kinderbetreuung aufgewendete Zeit um 2,3 Stunden von 3,3 auf 5,6 zu erhöhen.

Im „BMFSJ Väterreport. Update 2021“[ii] war dazu ein gutes Jahr später zu lesen, „Immerhin jede fünfte Paarfamilie (21 Prozent) mit Kindern unter 15 Jahren gab an, dass die Aufteilung mit dem anderen Elternteil partnerschaftlicher wurde. Knapp die Hälfte dieser Familien (47 %) würde diese Aufteilung auch nach der Pandemie gerne beibehalten. Gleichzeitig gab eine deutliche Mehrheit (80 %) derjenigen Eltern, die während der Pandemie die Aufgaben ungleicher verteilt haben (20 %), an, dass sie gerne wieder zu der weniger ungleichen Verteilung zurückkehren würden.“

Einer Studie der Initiative Chefsache zufolge wurden alternative Arbeitsformen von Vätern so bewertet: „35 % in der Vollzeit arbeitenden Väter denken wegen der Krise vermehrt über ein Teilzeitmodell nach. Ebenso denken viele Väter, die vor der Krise nicht flexibel gearbeitet haben, nun vermehrt über die Nutzung flexibler Arbeitszeitmodelle nach. Hauptgrund für diese Überlegungen sind in beiden Fällen die verstärkte Unterstützung im eigenen Haushalt und bei der Kinderbetreuung.“[iii]

Im Mittelpunkt der Dialogrunde stand dementsprechend auch die Frage, „Wie kann Arbeit in Zukunft gestaltet werden, um aktiveres Vatersein und berufliche Entwicklungen von Vätern und Müttern zu ermöglichen?“ Dazu ging Hendik Epe in seinem Impuls unter anderem auf den von Friethjoff Bergmann bereits 2004 geprägten Begriff „New Work“ näher ein. Für Bergmann war er eine Sozialutopie, die den  Übergang in ein neues Arbeitssystem ermöglichen sollte. Durch eine Kürzung der Lohnarbeit wird menschliche Arbeitszeit freigesetzt und Arbeit, die „ich wirklich tun will“ ermöglicht. „Das Ziel der neuen Arbeit besteht nicht darin, die Menschen von der Arbeit zu befreien, sondern die Arbeit so zu transformieren, damit sie freie und selbstbestimmte menschliche Wesen hervorbringt.“

Nach Bergmann geht es bei „New Work“ vor allem darum

  1. Gesellschaftlich auf neue Formen des Kapitalismus hinzuarbeiten
  2. Organisationen zeitgemäß und bedarfsgerecht zu gestalten, und
  3. eine individuelle Potentialentfaltung entlang von Stärken der Menschen zu ermöglichen

New Work ist in erster Linie eben keine Organisationsentwicklung, sondern ein Programm zur Humanisierung der Arbeitswelt. Und die soll und kann überall stattfinden, insbesondere wenn eine Pandemie flächendeckend neue Erfahrungen ermöglicht. Das diese Entwicklung mit Spannungen und Widersprüchen verbunden ist, zeigte auch die Diskussion in der Dialogrunde und dem sich anschließenden Workshop.

Eine bedeutende Ambivalenz liegt in dem Spannungsfeld ‚Freiheit vs. Sicherheit‘. Wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und väterlicher Sorgearbeit geht, was hilft den Vätern mehr? Eine große Gestaltungsfreiheit, verbunden mit großer Flexibilität von Arbeitszeit und -ort, Wahl der Arbeitsmittel etc. Oder doch besser die Verlässlichkeit und Sicherheit durch bereitgestellte Regelungen und Instrumente. Was ist fairer? Zum Beispiel mit Blick auf verschiedene Berufsgruppen, aber auch mit Blick auf verschiedene Erwartungen an die Menschen.

Eine endgültige Antwort gibt es auf diese Fragen nicht, ein Aussitzen oder Ablehnen von sich wandelnden Arbeitsformen wird aber ebenso wenig funktionieren. Daher sollten sich Organisationen und auch Menschen diesem Wandel stellen und sich zum Beispiel fragen: welche Kompetenzen oder Skills brauchen einzelne Väter und welche Kompetenzen brauchen Organisationen um neue Arbeitsformen nach der Pandemie nachhaltig zu implementieren und weiterzuentwickeln.

Wichtige Erkenntnisse aus der Diskussion im Workshop sind:

  • New Work ist nicht gleich Home-Office. Dies wird teilweise synonym verwendet, aber es gehört viel mehr dazu
  • Home-Office ist keine Kinderbetreuung, was aber insbesondere in der Pandemie oft so verstanden wurde. Hier braucht es Klärung und Abgrenzung.
  • Führungskräfte und Unternehmensleitungen mit Zahlen überzeugen, aber auch bei den eigenen Erfahrungen packen.
  • Die Neugestaltung und Verteilung von Erwerbsarbeit schafft ebensolche Potenziale bei der Care- und Sorgearbeit.

Take Aways für Väter

  • nehmen Sie die Erfahrungen, die Sie während der Pandemie im Homeoffice gemacht haben zum Anlass ihre Arbeit auch in Zukunft räumlich und zeitlich flexibel zu gestalten
  • tauschen Sie sich mit Kollegen und Kolleginnen darüber aus und versuchen Sie gemeinsam die Arbeitsorganisation in Ihrem Unternehmen familienbewusst(er) zu gestalten
  • nutzen sie die zeitlichen ‚Spielräume‘ auch in Zukunft dazu, sich als Vater in die Familie einzubringen, die Beziehungen zu ihren Kindern zu stärken und anfallende Care-Arbeiten partnerschaftlich aufzuteilen

Ideen für Personalverantwortliche

  • werten Sie die Erfahrungen Ihrer Mitarbeitenden in den letzten beiden Jahren systematisch aus und nutzen diese für Ihre Arbeitsorganisation
  • ermöglichen Sie Vätern in ihrem unternehmen eine Vernetzung und den regelmäßigen Austausch
  • sprechen Sie (werdende) Väter proaktiv an und ermutigen Sie diese Care-Aufgaben in der Familie zu übernehmen

Zum Download

Der Impuls von Hendrik Epe 211116_LAG_Vaeter_NewWork

Der Impuls von Philipp Schaps vätertagung_input_schaps

Die Leitfragen von Dialogrunde und Workshop 4

Die Zusammenfassung der Visionen und Forderungen von Dialogrunde und Workshop 4

Quellen

[i] https://www.bib.bund.de/DE/Service/Presse/2020/pdf/Presseunterlagen-Eltern-waehrend-der-  Corona-Krise.pdf

[ii] https://www.lag-vaeterarbeit.nrw/2021/10/24/aktive-vaterschaft-ist-der-trend-der-jungen-elterngeneration/

[iii] https://initiative-chefsache.de/home-office-steigert-akzeptanz-fuer-flexible-arbeitsmodelle/