Das Thema häusliche Gewalt ist deutlich in den Vordergrund getreten

‚Echte Männer reden‘ lautet der Slogan des Beratungsangebots des SKM für Männer in Krisensituationen. In welchem Umfang wird das Angebot in Anspruch genommen?

Die Inanspruchnahme ist von Jahr zu Jahr steigend. Wir hatten letztes Jahr im Gesamtjahr 82 Männer im Beratungsprozess. Wir haben jetzt schon aktuell 83, ohne die abgeschlossenen Fälle in diesem Jahr. Also momentan werden 83 Männer von uns beraten. Und das ist schon für uns ein neuer Rekord. Ohne jetzt auf die Jagd nach Spitzenleistung gehen zu wollen. Dazu kommen noch über zweihundert Einmalkontakte. Die wir übers Telefon erhalten haben oder über E-Mail. Das heißt wo sich einmalig Männer an uns wenden mit speziellen Anliegen und wir vermitteln die weiter, beantworten die Frage und es bleibt auch bei diesem Einmalkontakt. Das ist etwas, was uns dieses Jahr erstaunt hat in welchem Maße die Nachfrage angestiegen ist

Was sind die Themen bzw. Anliegen der Männer?

Die Themen und Anliegen haben sich verändert. Beziehungsweise ich glaube, die Themen und Anliegen waren schon immer da, werden jetzt aber vehementer geäußert. Zum einen ist es ganz viel und ganz oft das Thema häusliche Gewalt. Also wenn Männer von häuslicher Gewalt betroffen sind. Ab und an melden sich Täter bei uns.
Das Gros der Männer, die sich bei uns mit dieser Thematik melden, sind allerdings als Opfer von häuslicher Gewalt betroffen. Dazu kommt als zweiter Schwerpunkt das Thema Umgangs- und Sorgerechtsschwierigkeiten mit den eigenen Kindern. Also Männer, die getrennt sind von ihren Partnerinnen haben plötzlich nicht mehr die Möglichkeit ihre Kinder regelmäßig zu sehen oder sehen sie gar nicht mehr. Zum Teil seit Monaten, zum Teil seit Jahren schon nicht mehr.

Das ist der zweite große Schwerpunkt bei uns, der auch deutlich zugenommen hat. Ein dritter Punkt ist, das haben wir seit einem Jahr festgestellt, dass mehr Männer mit Gefühlslosigkeit kommen. Ich drücke das mal so aus. Männer haben Probleme einen Zugang zu ihren Gefühlen zu finden und stellen das bei sich zuhause immer wieder in Alltagssituationen fest, sind damit überfordert, wollen nicht direkt zum Therapeuten gehen oder sind zum Teil parallel bei einem Therapeuten oder einer Therapeutin, wollen aber trotzdem noch bei einer Stelle wie uns über diese Punkte reden.
Das Thema Zugang zu eigenen Gefühlen zu finden, finde ich auch sehr, sehr spannend.
Das sind die drei Schwerpunkte, die wir bei uns so ausgemacht haben. Und die anderen Themen ist Identität, sind Beziehungsprobleme, ist Krankheit, sind Probleme im Job. Also ich glaube alles das, was so das krisenhafte im Leben eines Mannes oder Problemhaftigkeit eines Lebens im männlichen Bereich ausmachen kann, das haben wir auch in der Beratung.

Du bist schon einige Jahre in dem Feld tätig, gibt es so etwas wie Entwicklungslinien bei den Themen, mit denen sich Männer an euch wenden?

Auf jeden Fall. Also das Thema häusliche Gewalt ist deutlich mehr in den Vordergrund getreten. Die Männer trauen sich jetzt auch mehr darüber zu sprechen. Ich kann mich an meine ersten Jahre erinnern, das war 2008, da habe ich die ersten Beratungsfälle noch bei einem anderen Arbeitgeber gemacht und da und da kamen ein oder zwei Männer mit diesem Thema. Und momentan ist es so, dass fast jeder zweite, der sich bei uns mit einem Anliegen meldet, in diesem Bereich eigentlich einzuordnen ist.
Das ist ein Thema, das ganz weit nach vorne gekommen ist. Und auch das Thema was ich eben erwähnt habe der Gefühlszugang. Also wieder ein bisschen zu den eigenen Gefühlen zu finden. Das ist auch ein Punkt, der deutlich nach vorne gekommen ist. Umgangsprobleme glaube ich gab es schon immer. Da sind die Männer aber froh, dass es einfach Anlaufstellen gibt, wie einzelne Beratungsstellen sie jetzt bieten, dass sie dort mit ihren Anliegen fernab einer juristischen Beratung landen können.

Der SKM Köln betreibt ja seit zwei Jahren Gewaltschutzwohnungen für Männer. Welche Erfahrungen habt ihr in diesem Zeitraum gemacht?

Also wir haben eigentlich schon seit drei Jahren Schutzwohnen. Wir haben knapp ein Jahr vor dem Projekt ‚Freiraum‘ das Ganze in Eigenregie gemacht und sind dann eben nach Einstieg des Landes in das Projekt in ein anderes Objekt umgezogen. Unsere Erfahrungen sind, dass Männer erst auf den letzten Drücker kommen und sich eine Schutzwohnung suchen. Sie versuchen oftmals einen anderen Weg zu gehen, bei Bekannten, bei Freunden, bei Verwandten unterzukommen. Zum Teil eben auch bei den eigenen Eltern wieder in ihr altes Kinderzimmer zurückziehen bevor sie diese externe Möglichkeit in Anspruch nehmen. Das heißt ja auch, sie müssen sich mit diesem Problem outen, müssen sich an eine Beratungsstelle wenden und wenn man da nur noch raus muss zuhause oder raus will ist das noch von einer besonderen Scham behaftet.
Von daher tun sich die Männer noch ein bisschen schwerer sich da zu melden. Aber sobald sie im Schutzwohnen sind, sind sie unglaublich froh, dass sie es gemacht haben. Weil da können sie zur Ruhe kommen.
Wir haben ja in Köln ein Haus, was in Form einer WG quasi belebt bzw. gelebt wird. Durch diese Offenheit haben die Männer die Möglichkeit sich auszutauschen. Die haben im Großen und Ganzen eine recht ähnliche Geschichte und können sich da stärken, ja, auch ihren Frust mal loswerden, ihre Probleme besprechen. Und das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, dieses Austauschen zum einen und das andere ist eben Distanz zu dem, was zuhause passiert ist.
Distanz zur Täterin oder zum Täter. Denn wir haben bei uns im Haus auch zurzeit wieder einen Mann, der aus einer homosexuellen Beziehung kommt. Ich glaube das zeichnet uns in Köln auch so ein bisschen aus. Wir habe nun mal eine sehr große Community in dem Bereich. Das merken wir auch bei uns in der Beratung. Das merken wir auch bei uns im Haus.

Sind auch Väter und ihre Kinder bei den Schutzsuchenden?

Ja, wir haben jetzt erstmals einen Vater mit Kind bei uns im Haus. Das ist eine twas andere Situation, weil wir keine abgeschlossenen Apartments, sondern eine WG-Form haben. Da müssen wir also bei der Belegung auch sehr genau hinsehen, ob das passt.
Wie alt ist das Kind? Wie sind die anderen Bewohner im Hause drauf? Das bringt mehr Leben rein. Ein KInd bringt aber auch mehr Unruhe rein. Weil es anders betreut werden muss, weil es eine andere Tagesstruktur hat. Wir haben relativ viele Anfragen von Vätern mit Kindern zur Beratung. Auch die zuhause raus müssen. Aber die finden tatsächlich, das habe ich eben schon mal kurz angedeutet, für sich alternative Lösungen. Also zum Teil dann wirklich zurück ins Elternhaus, weil da noch Platz ist, sofern diese räumlichen Möglichkeiten da sind.

‚Männer als Opfer von Gewalt‘ dieses Thema rückt ja langsam in den Fokus der Öffentlichkeit. Was wünschst du dir an dieser Stelle von politisch Verantwortlichen in der Kommune und im Land?

Ich wünsche mir zum einen eine Regelfinanzierung für diese Arbeitsbereiche, weil wir fast alle Projektstatus haben. Das heißt Mitarbeiter beschäftigen sich einen Teil der Arbeitszeit mit dem Thema Finanzierung. Es besteht immer so ein bisschen die Gefahr, wenn die Finanzierung des Projektes nicht weiterläuft, dann müssen wir diese Arbeit stoppen. Und dafür ist diese Arbeit analog auch der Frauenberatung einfach zu wichtig.
Denn es gibt Männer, die sind von häuslicher Gewalt betroffen. Wir sprechen in NRW von knapp dreißig Prozent, bundesweit zwanzig Prozent. Das sind ja Zahlen, die können wir nicht wegleugnen, die können wir nicht verschwinden lassen. Und mit diesen Menschen, mit diesen Männern muss gearbeitet werden. Von daher wäre eine Regelfinanzierung einfach ganz, ganz wichtig. Und was ich mir auch wünsche ist eine reine Interventionsstelle zum Schutz häuslicher Gewalt für Männer. Denn wir haben bei uns in Köln den Fall, dass wir zwei Interventionszentren haben. Die sind aber jeweils an Frauenhäuser, Frauenberatungsstellen angedockt.
Und ich wage mal die Behauptung, oder andersrum formuliert, wir hatten im letzten Jahr über tausend Meldungen bei der Polizei von Männern, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Von denen ist trotz Verweis der Polizei an die Interventionsschutzstelle kaum jemand dort aufgelaufen. Und ich glaube einfach, das ist auch so meine Erfahrung aus den Gesprächen mit den Männern, wenn ich Opfer von häuslicher Gewalt bin, und diese häusliche Gewalt ist von Frauen ausgegangen, muss ich dann in ein Haus, wo Frauenberatungsstelle drübersteht?
Ich glaube ich würde als Mann auch mein Problem haben dort aufzulaufen. Von daher unser Wunsch eine Interventionsschutzstelle an eine Männerberatungsstelle anzudocken, weil ich glaube, dass dort mehr Männer kommen werden, einfach ankommen werden. Damit ist allen geholfen.
Den Beratungsstellen ist geholfen. Weil wir eine andere Vielfalt in der Landschaft haben. Den Männern ist geholfen. Weil die einfach eine konkrete Anlaufstelle haben. Denn da ist auch tatsächlich ein Mann drin, wo Mann draufsteht. Und dann bekommen sie das, was sie sich vielleicht wünschen. Das sind meine beiden großen Wünsche.

Vielen Dank fürs Gespräch

Weitere Informationen zur Männerberatung des SKM Köln finde Sie hier https://www.skm-koeln.de/maennerberatung/

Das Netzwerk ‚Echte Männer reden‘ an dieser Stelle: https://echte-männer-reden.de/