Jugendliche Väter sind Experten aus Erfahrung

Mehr als 100 Teilnehmende diskutierten am vergangenen Dienstag bei einer Fachtagung in Osnabrück Konzepte und praktische Wege junge Väter in prekären Lebenslagen anzusprechen und zu erreichen. Unterstützt wurden sie dabei unter anderem von Prof. Anna Tarrant, die in Großbritannien seit 10 Jahren mit jugendlichen Vätern arbeitet und forscht.

In der Katholischen Familienbildungsstätte trafen sich am Dienstag Studierende der Hochschule Osnabrück sowie Fachleute aus den Frühen Hilfen, Familienberatungsstellen, Jugendämtern, Väterarbeit aus Niedersachsen und NRW. Gemeinsam erkundeten sie Möglichkeiten, junge Papas anzusprechen und zu erreichen
Die Tagung wurde von Dr. Kim Bräuer von der TU in Braunschweig eröffnet, die Ergebnisse ihrer Online-Väterstudie präsentierte. Sie plädierte in ihrem Vortrag dafür, Männlichkeit stärker mit Vaterschaft zu verknüpfen und zu denken.

„Wenn junge Väter als ‚Experten aus Erfahrung‘ anerkannt werden, bewirkt alleine dieser Perspektivwechsel Veränderungen in bestehenden Hilfesystemen und verstärkt die Einbeziehung von Vätern“ war eine zentrale Aussage im Vortrag von Frau Tarrant, und weiter: „Partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Forschenden, Fachleuten vor Ort und Vätern sind entscheidende Methoden, um Veränderungen zu bewirken.“

Junge Väter sind zuverlässig und anwesend

Das ist das Resümee aus der zehnjährigen Arbeit von Anna Tarrant mit jugendlichen Vätern. Abgehalten und ausgegrenzt werden sie von gegenteiligen Vorstellungen von Fachleuten und unpassenden Rahmenbedingungen. „Werde ich gut genug sein? Werde ich in der Lage sein, für meine Familie zu sorgen? Ich hoffe, ich lasse niemanden im Stich.“ Zitiert sie einen Vater aus ihrem aktuellen Projekt ‚Following Young Fathers Further“

Wieso schämst Du Dich eigentlich nicht?

Lautete der Titel eines der vier Workshops, in denen die Teilnehmenden nach der Mittagspause mit en Hürden bei der Ansprache von jugendlichen Vätern auseinandersetzen konnten. Gemeinsam mit den Praxisexperten wurden erprobte Ansätze begutachtet.
Theo Brocks berichtete über die Ergebnisse des Projekts ‚juPapa! Junge Väter packen es‘ bei dem von 2014 bis 2016 in Köln 12 junge Väter begleitet wurden. Seine Empfehlung lautet: „Beziehen Sie sie den jungen Vater ausdrücklich mit ein. Fragen Sie ihn nach seiner Meinung. Fordern Sie ihn dazu auf, auch eigene Fragen zu stellen. Hören Sie zu und nehmen Sie seine Sichtweise ernst.“

Selcuk Sayman, vernetzt in Berlin als ‚Väterlotse Mitte‘ Beschäftigte in Familienzentren und macht dort Väterangebote. Er wartet nicht darauf, dass die Väter zu ihm kommen, sondern sucht sie auf Spielplätzen in ihren Sozialräumen auf. Für die niedrigschwellige Ansprache hat er einen kurzen Leitfaden erstellt, den er, neben einer Fülle weiterer praktischer Ansätze, vorstellte.

Wir brauchen andere Sichtweisen auf junge Väter

Anna Tarrant arbeitete in ihrem Workshop gemeinsam mit den Teilnehmenden an der ‚Legende‘, jugendliche Väter seien schwer zu erreichen. Sie vertritt die Auffassung, dass junge Männer großen Wert auf professionelle Unterstützung legen und eine passende Unterstützung ihnen dabei helfen kann, Selbstvertrauen, Fähigkeiten, und Verantwortungsbewusstsein als Vater aufzubauen. Es kommt dabei auf leicht zugängliche Angebote und die richtigen Umstände an.
Neben neuen Sichtweisen braucht die Arbeit mit Vätern Zeit und Ausdauer, so das Fazit aus allen vier Workshops. Dass viele der Studierenden der Hochschule Osnabrück am Ende der Veranstaltung äußerten, die Anliegen von jungen Vätern seien bislang ein „blinder Fleck“ gewesen und der Fachtag habe ihr Interesse für dies Arbeit geweckt.