Väter in Deutschland

Studie gibt Einblicke in die vielfältigen Lebenslagen

Wie nehmen Väter sich selbst und ihre Familie wahr? Welche Vorstellungen haben sie von ihrer Vaterschaft und ihrem Familienleben? Welche neuen Vereinbarkeitsprobleme erleben Väter? Wie sieht es mit der Geschlechtergerechtigkeit und der Arbeitsorganisation im Familienalltag aus? Die Studie „VAPRO – You don’t need to be Superheroes“ wurde von Sozialwissenschafter*innen der Technischen Universität Braunschweig und der Fachhochschule Kiel erstellt und ist eine der umfangreichsten bundesweit erstellten Studien zur Vielfalt von Vaterschaft.

Es ist auch die erste Studie zur Vaterschaft in Deutschland, die nicht nur die Väter selbst befragt hat, sondern auch die Darstellung von Vaterschaft in sozialen Medien einbezieht. Neben rechtlichen und biologischen Vätern berücksichtigt die Studie auch Pflegeväter sowie Väter in Co-Parenting-Konstellationen und homosexuelle Väterpaare.

Die Ergebnisse der VAPRO-Studie, die von Dr. Kim Bräuer aus dem Arbeitsbereich Soziologie, Arbeit und Organisation der TU Braunschweig und Prof. Kai Marquardsen, Professur für Armut im Kontext der sozialen Arbeit der Fachhochschule Kiel, erstellt wurde, zeigen, dass die interviewten Väter milieu-übergreifend Wert darauflegen, ihre Kinder „empathisch und verständnisvoll“ zu erziehen. Das Ideal des emotionalen Vaters ist weit verbreitet. So ist es 59,4 Prozent der Väter am wichtigsten, dass sie ihrem Kind bzw. ihren Kindern Zuneigung zeigen. Der Trend zu vermehrter aktiver Vaterschaft sei klar erkennbar, so die Wissenschaftler*innen. Väter übernehmen am häufigsten die Aufgabe der Kinderbetreuung, wie zum Beispiel Spielen, am seltensten die Aufgabe der aktiven Erziehungsmaßnahmen.

Das Bild vom Vater als Ernährer ändert sich

Ein Großteil der befragten Väter hat sich von dem Bild des Vaters als Ernährer gelöst. Nur 12,1 Prozent der Väter halten es für die wichtigste Eigenschaft eines Vaters, finanzielle Sicherheit zu bieten. Das unterstreicht auch das Ergebnis, dass die Vaterschaftspraktiken ihrer eigenen Väter abgelehnt werden.

„Gängige Vorstellungen von guter Vaterschaft scheinen oftmals mit solidem Gehalt oder finanzieller Freiheit verbunden zu sein. Dies steht aber im Kontrast zum Rückgang des Vaters als Ernährer und dazu, dass die von uns befragten Väter angaben, dass ihnen monetäre Werte nicht so wichtig seien, wie soziale oder emotionale Werte“, so Prof. Dr. Kai Marquardsen.

Fast jeder zweite Vater nimmt an, dass er und der andere Elternteil sich gleich viel um familiäre Angelegenheiten der Kinderbetreuung kümmern. Fast genauso groß ist die Gruppe, die angab, dass der andere Elternteil die meisten dieser Aufgaben übernimmt. Lediglich jeder zehnte Vater macht selbst die meisten Aufgaben der Familienarbeit. Am meisten Familienarbeit übernehmen Väter, die ihre Erwerbstätigkeit beendet oder deren Umfang reduziert haben, um mehr Zeit für ihre Familie und die Versorgung der Kinder zu haben.

Auch Väter wollen alle Rollen perfekt erfüllen

Die Projektleiterin Dr. Kim Bräuer hebt besonders hervor, dass in Anbetracht, des in Deutschland zunehmenden Phänomens des Regretting Parenthood, viele Väter angeben, ihren eigenen Vorstellungen guter Vaterschaft nicht gerecht zu werden. Das zeige sich unabhängig von ihrer Erwerbstätigkeit, ihren religiösen Einstellungen und ihrer sexuellen Orientierung. „Es hängt zum Teil damit zusammen, dass sie für sich selbst oder für sich als Elternpaar ein Vereinbarkeitsproblem wahrnehmen, das sie nicht nur auf Beruf und Familie beziehen. Den Vätern scheint es auch darum zu gehen, sich in ihrem Freundeskreis, in Vereinen oder bei der Versorgung der eigenen Großeltern einzubringen und ihren Kindern auf diese Weise soziale Werte vorzuleben,“ so Bräuer. „Im Trend, zeigen sich Parallelen zur Mutter als Allrounderin, die gleichermaßen im Job erfolgreich sein muss, wie auch liebevoll die Kinder und ihre Verwandten umsorgt – also weg von der ‚klassischen‘ Rollentrennung hin zu alle haben alle Rollen und sollen diese auch perfekt erfüllen.“

Die Studie zeigt ebenfalls, dass „arme“ Väter in den sozialen Medien keine Rolle spielen. „Das lässt sich auch damit erklären, dass Armut mit Scham behaftet ist und Väter in Armutslagen sich – auch virtuell – nicht offenbaren wollen. Damit geht einher, dass Väter, deren Leben von einem geringen ökonomischen Einkommen geprägt ist oder die auf Leistungen vom Staat angewiesen sind, unter Väterbloggern niemanden in ähnlicher Lebenslage finden,“ so Marquardsen. Auch unter #ichbinarmutsbetroffen konnten die Wissenschaftler*innen kaum Berichte von Vätern in Armutslagen finden. „Unter den Interviewten zeigt sich, dass es oftmals weitere Herausforderungen in der aktuellen Lebenssituation sind, die für finanziell arme Väter eine Rolle spielen“, so Marquardsen.

Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber*innen

Ziel des Projekts war es auch, Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber*innen, Koordinator*innen von Väternetzwerken und politische Akteur*innen zu entwickeln, um die Lebenslagen von Vätern stärker sichtbar zu machen und ihre Situation und die ihrer Familien nachhaltig zu verbessern. Die wichtigsten Empfehlungen, die sich aus der Studie ergeben, sind, dass sich Väterarbeit verstärkt auf die Handlungsebene von Vaterschaft beziehen und Eltern in der Reflexion von Vorstellungen und Handlung bzw. deren Zusammenwirken unterstützen. Arbeitsorganisatorische Unterstützungsmöglichkeiten sollten bei ihrer Erarbeitung mit familienpolitischen Fördermaßnahmen verbunden und lebensphasenspezifisch gestaltet sein.

Studiendesign

Die VAPRO Studie hatte eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren und wurde von den Kooperationseinrichtungen, der Stabstelle für Chancengleichheit der TU Braunschweig sowie vom Braunschweiger Zentrum für Gender Studies finanziert. Für die Ergebnisse wurde ein Methoden-Mix aus 55 qualitativen Interviews, einer Online-Umfrage mit bundesweit 2.200 Befragten und einer Medienanalyse von sieben Instagram-Accounts von Väterbloggern ausgewertet.

Weitere Informationen

Abschlussbericht: https://leopard.tu-braunschweig.de/receive/dbbs_mods_00071776

Projekthomepage: www.tu-braunschweig.de/familienbuero/vaeter VAPRO-Instagram-Account: https://www.instagram.com/dadsaredads/