Ende Dezember hat Marco Krahl von DADMag verschiedene Väterexperten gebeten, 13 häufig vorgebrachte Bedenken gegen die Vaterschaftsfreistellung zu entkräften und Argumente für die geplante Freistellung für Väter unmittelbar nach der Geburt zu liefern. Lesen Sie hier dreizehn gute Gründe des Vorsitzenden der LAG-Väterarbeit für das Gesetzesvorhaben:
- „Es gibt doch schon die Elternzeit!“
Ja, es gibt seit 2007 eine mit dem Elterngeld als Lohnersatzleistung für 14 Monate bezahlte Elternzeit. Davon sind 2 Monate für die Väter bzw. Partner*in reserviert. Um eine gleichberechtigte Aufteilung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Care-Arbeit zu erreichen, braucht es eine hälftige Aufteilung von 7 Monaten für die Väter und 7 Monaten für die Mütter. Davon sind wir weit entfernt. Diskutiert wird eine ‚Ausweitung auf 3 Monate.
Außerdem ist die Höhe des Elterngeldes seit der Einführung nicht angepasst worden. Das ‚Basiselterngeld‘ von 300 € entspricht dem 1984 eingeführten Erziehungsgeldes von 600 DM. - „Wer soll das denn alles bezahlen?“
Das Elterngeld und auch die Vaterschaftsfreistellung sind teuer. Es ist allerdings in mehrfacher Hinsicht eine lohnende Investition in die Zukunft unserer Kinder und die Gesellschaft. Väter die sich von Anfang an als bedeutend und wirksam für die Entwicklung ihrer Kinder erleben können und denen diese Kompetenzen zugeschrieben werden, bauen eine enge Beziehung zu ihren Kindern auf und engagieren sich mehr in Haushalt und Familie.
Dadurch werden traditionelle Rollenbilder aufgebrochen und Frauen mehr berufliches Engagement und Entwicklungen ermöglicht.
Unternehmen profitieren von motivierten und sozial kompetenten Beschäftigten, die erleben, dass sie ihre Vorstellungen und Lebenskonzepte von Vaterschaft und ihre beruflichen Ambitionen, wenn auch nicht immer gleichzeitig, verwirklichen können. - „Man kann doch auch einfach Urlaub nehmen.“
Der Beginn einer Vaterschaft ebenso wir der einer Mutterschaft ist keineswegs ‚Urlaub‘ im Sinne von Erholung und Wiederherstellung von Arbeitskraft. Die ersten Wochen nach der Geburt eines Kindes sind mit neuen Herausforderungen und einer kompletten Umstellung des bisherigen (Familien-)Lebens und häufig auch mit Schlafentzug verbunden. Also exakt dem Gegenteil dessen, was ‚Urlaub‘ bewirken soll. - „Mütter können das ohnehin besser, schon rein biologisch.“
Es gibt weder eine ‚geborene Mutter‘ wie einen ‚geborenen Vater‘ alle physischen Handgriffe, die zur Pflege und Versorgung eines Neugeborenen benötigt werden, lernen Väter und Mütter in dem Moment, in dem sie sich auf das Kind einlassen. Und die psychischen Voraussetzungen, einfühlsam auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen sind bei Vätern und Müttern gleichermaßen vorhanden. - „Das ist doch auch nur kostenloser Zusatzurlaub.“
Kostenlos ist er keineswegs, da die Vaterschaftsfreistellung ja vergütet wird und umsonst auch nicht, weil Väter in der Zeit des Wochenbetts ihre Partnerin unterstützen und die Möglichkeit haben, von Anfang an eigene Kompetenzen im Umgang mit dem Kind zu entwickeln und eine Beziehung aufzubauen. - „Das Baby schläft am Anfang eh nur.“
Das kann nur jemand behaupten, der diese Situation noch nicht erlebt hat und auch noch nicht eigenverantwortlich einen Haushalt mit mehreren Personen geführt haben. Selbst wenn das Baby viel schläft, heißt das ja nicht, dass in Väter, die im Rahmen der Vaterschaftsfreistellung zuhause sind, in dieser Zeit ‚frei haben‘. Es sind eine Reihe weiter Aufgaben zu erledigen, dazu kommt die Unterstützung der Partnerin im Wochenbett und ggf. die Betreuung von Geschwisterkindern. - „Die meisten Väter wollen das doch gar nicht.“
‚Top die Wette gilt‘ – Es kommt ‚nur‘ auf die passenden Rahmenbedingungen an. Bei einer Veranstaltung vor 15 Jahren, kurz nach der Einführung der Elternzeit in Deutschland erklärte die Personalmanagerin eines schwedischen Konzerns, es ist ganz einfach, wenn Sie 100 Prozent der Väter in der Elternzeit haben möchten, müssen sie ihnen nur das Elterngeld auf 100 Prozent des Gehaltes aufstocken. In Schweden betrug das Elterngeld seinerzeit 80 % des Gehalts. Das sei teuer erklärte sie weiter, aber wir wollen, dass die Väter diese Erfahrung machen.
Das gilt heute noch genauso wie damals und Spanien hat dies so eingeführt und es wird angenommen. - „Wenn die Vaterschaftsfreistellung kommt, nimmt doch kein Vater mehr Elternzeit.“
Ich bin der Überzeugung, dass das Gegenteil der Fall sein wird. Väter, die die ersten 14 Tage im Leben ihrer Kinder intensiv erlebt haben, wollen auch weiterhin aktiv an deren Entwicklung teilhaben und werden Elternzeit in Anspruch nehmen, in größer Anzahl als bislang und für mehr als zwei Monate.
Das ist vielleicht der wahre Beweggrund für die Widerstände gegen die Vaterschaftsfreistellung - „Es reicht doch, wenn der Vater in der ersten Zeit ins Home-Office wechselt.“
In den vergangenen drei Jahren haben Unternehmen und Beschäftigte viele Erfahrungen mit dem Home-Office gemacht. Eine der grundlegenden Erkenntnisse dabei war, produktive Arbeit ist nur möglich, wenn anwesende Kinder betreut werden.
Das betrifft dann in erster Linie Geschwisterkinder. Das Neugeborene und die Mutter benötigen rund um die Uhr Betreuung und Versorgung, nebenbei oder im Anschluss noch zu arbeiten dürfte im wesentlich Umfang nicht möglich sein. - „Ich kann am Anfang doch eh nichts machen. Meine Frau stillt schließlich.“
Ok, stillen ist das Einzige, was Väter nicht machen können, das wars dann aber schon mit den ‚Ausreden‘. Die Versorgung eines Neugeborenen und die Unterstützung einer Mutter im Wochenbett beinhaltet mehr Aufgaben als beim Stillen zuzuschauen. Das wissen die Väter auch, und wenn nicht, werden sie es schnell erleben und lernen. - „Es ist der falsche Weg, Männer mit immer mehr Goodies dazu zu bringen, sich bei der Care-Arbeit mehr einzubringen.“
Es geht nicht um ‚Goodies‘ sondern um passende Rahmenbedingungen, die Vätern aber auch Müttern ermöglichen, ihre Lebenskonzepte, die in den meisten Fällen auch eine partnerschaftliche Aufteilung aller anfallenden Aufgaben und Arbeiten beinhaltet, zu verwirklichen. Das erhöht die Zufriedenheit und die Stabilität von Partnerschaften.
Unternehmen profitieren ebenfalls, wenn gut ausgebildete Frauen schnell wieder als Fachkräfte zur Verfügung stehen, weil sie bei der ‚Care-Arbeit‘ entlastet werden. - „Warum soll der Staat für das Privatvergnügen zahlen?“
Kinder und Familien sind die Grundlage und die Zukunft unseres Staates. Das erklären Politiker*innen bei allen ‚Sonntagsreden‘. Die Realität, dass zeigt aktuell die Situation in den Betreuungs- und Gesundheitseinrichtungen, sieht leider häufig anders aus.
Kinder und deren Betreuung sind kein ‚Privatvergnügen‘. Im Rahmen einer Vaterschaftsfreistellung leisten Väter gesellschaftlich bedeutsame Arbeit. - „Wir lassen uns von der EU doch nicht alles vorschreiben.“
Die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie aus dem Jahr 2019 ist nach langen Diskussionen zwischen den Mitgliedsländern verabschiedet worden. Deutschland hatte, wie alle anderen auch, drei Jahre Zeit, die gemeinsam beschlossenen Regelungen in nationales Recht umzusetzen.
Im Koalitionsvertrag ist die Einführung der Vaterschaftsfreistellung ebenso wie das Ziel bis 2030 Geschlechtergerechtigkeit in allen Bereichen zu erreichen, vorankert.
Die Einführung der Vaterschaftsfreistellung aus wirtschaftlichen Gründen um zwei Jahre nach hinten zu verschieben und sich ein Vertragsverletzungsverfahren der EU einzuhandeln, ist vor diesem Hintergrund einfach nur ‚töricht‘.