‚In Deutschland werden zehntausende Männer in Partnerschaften misshandelt – einer von ihnen ist Konrad. Die Geschichte eines Tabus. …
Konrad hat sein Büro als Treffpunkt vorgeschlagen, hier will er seine Geschichte erzählen. Etwas, das die meisten Männer aus Scham nie tun würden. Die gesellschaftlich herrschenden Männerklischees machen aus einer Hemmschwelle eine riesige Hürde. Viele haben Angst vor Spott und Häme. Konrad kann inzwischen darüber sprechen, doch auch er hat lange gebraucht. Und auch wenn das Ende der gewalttätigen Beziehung schon Jahre zurückliegt, holen ihn die Erlebnisse immer wieder ein.
Der 51-Jährige ist leicht untersetzt, hat schütteres Haar, trägt eine blaue Strickjacke und schwarze Jeans. Seine Partnerin, die in diesem Text Anja heißen soll, lernt er 2007 kennen. In einer deutschen Großstadt. …
Als impulsiv beschreibt Konrad den Anfang ihrer Beziehung. Es ist eine rauschhafte Zeit, die beiden haben nur Augen füreinander, doch irgendwann bekommt die rosarote Brille der ersten Verliebtheit einen Sprung. Er erkennt, wie Anja ihre starken Emotionen kaum unter Kontrolle halten kann, wie ihr Gefühlsspektrum nur wenige Grautöne, dafür aber viel Schwarz und Weiß umfasst. Wut und Freude. Ruhe und Aggression. Hass und Liebe.
Als sie in einem Café sind, schüttet sie ihm unvermittelt ein Glas Wasser über den Kopf, wie „ein begossener Pudel“ sitzt er ihr gegenüber. Sie wirft mit einer Küchenschere nach ihm, die glücklicherweise so stumpf ist, dass sie ihn nicht schwer verletzt. Sie schlägt mit einer Weinflasche auf ihn ein. An seinen Armen sieht man später Hämatome. …
Konrad sagt, er ärgert sich, dass er die Verletzungen nicht dokumentiert und die Polizei informiert hat. Vielleicht hätte es aber auch nichts gebracht. „Dass ich von meiner Freundin verprügelt wurde, hätte mir doch eh niemand geglaubt.“ Es ist ein Satz, den Konrad im Gespräch mehrmals so oder ähnlich wiederholt. Er sagt auch: „Damals habe ich mich nicht als Opfer gesehen.“ Oder: „Ich habe mir eingeredet, dass ich die Gewalt ertragen müsse.“ Die Schuld für Anjas Verhalten hat er bei sich gesucht.
Sommer 2008. Konrad und Anja sind weiterhin zusammen, als sie von ihm schwanger wird. … Im darauffolgenden März bringt sie einen Jungen zur Welt. Während der Schwangerschaft bleibt Konrad von häuslichen Exzessen weitestgehend verschont. Der Umstand währt nur neun Monate. Nach der Geburt wird sie wieder gewalttätig.
Im September 2009 ist die Beziehung endgültig am Ende. Es ist Konrad, der die Reißlinie zieht. Er begräbt die Hoffnung, dass die Angriffe irgendwann aufhören könnten. Er möchte nicht, dass sein Sohn unter diesen Zuständen aufwächst. …
Theoretisch hätte Konrad auch in einer Männerschutzwohnung unterkommen können. „Aus heutiger Sicht wäre das die klügere Entscheidung gewesen“, sagt er. Doch 2009 gibt es in Deutschland nur eine einzige Einrichtung. …‘