5 Fragen an David Juncke zu den Ergebnissen der Evaluation der familienpolitischen Leistungen in NRW
- Mit welchem Erkenntnisinteresse haben Sie die Evaluation der familienpolitischen Leistungen in NRW durchgeführt?
Wir haben uns die landespolitischen Leistungen im Detail angeschaut. Familienbildung, Familienberatung und die Leitstellen der Familienpflegedienste. Es gab für all diese drei Bereiche unterschiedliche Untersuchungsschwerpunkte. Die Strukturen der drei Bereiche, ihre Arbeitsweise und vor allen Dingen auch ihre Wirkung bei den Familien. Systematisiert haben wir die Ergebnisse in einer sogenannten SWOT-Analyse. So konnten wir herausstellen, welche jeweiligen Stärken und Schwächen Familienbildung, Familienberatung und Familienpflege haben und wo externe Chancen oder externe Risiken auf sie wirken.
- Was sind die drei überraschendsten Ergebnisse?
Wir haben schon erwartet, dass das Internet eine große Rolle spielt, wenn sich Familien informieren. Jedoch ist es besonders deutlich geworden, dass das Internet einen immensen Stellenwert hat. Das betrifft beispielsweise auch das informieren über ganz konkrete Problemlagen und Herausforderungen im Familienalltag. An zweiter Stelle war ein besonderes Ergebnis, dass sich die Arbeit der Familienbildung und der Familienberatung stark gewandelt hat. Die Einrichtungen sind viel mehr in der offenen Arbeit engagiert als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. So haben sie die Möglichkeit, auf Familien zuzugehen und auch Familien zu erreichen, die sonst für die Arbeit der Familienbildung und Familienberatung eher schwierig zu erreichen sind. Ganz entscheidend sind in diesem Zusammenhang Kooperationen. Und schließlich war die Heterogenität der Landschaft in Nordrhein-Westfalen sehr überraschend. Heterogenität bezieht sich insbesondere auf das Vorhandensein von Familienbildung und Familienpflege in den unterschiedlichen Regionen. Und auch heterogen ist die Antwort auf die Frage, wie Jugendämter Familienbildung und Familienpflege in ihre Arbeit einbinden. Hier ist alles andere als ein einheitliches Bild in Nordrhein-Westfalen zu sehen.
- Was hat die Evaluation im Hinblick auf das Thema ‚Väter in Familienbildung und -beratung‘ an neuen Erkenntnissen gebracht?
Das Thema „Väter in der Familienbildung und der Familienberatung“ war kein Schwerpunkt der Evaluation. Dennoch hat es sich herausgestellt, dass Väter und Angebote für Väter Themen der Familienbildung sind und dieses ein Themenfeld ist, was ausgebaut wird. Zudem berichten zwei Drittel der Einrichtungen von einer zunehmenden Nachfrage durch Väter. Aus der Wirkungsforschung wissen wir, dass Familienberatungsprozesse insbesondere dann erfolgreich sind, wenn Väter auch involviert sind. Sie sind gewissermaßen Faktoren für eine gelungene Familienberatung, so dass es hilfreich ist, wenn Väter in Familienberatungsprozesse eingebunden werden.
- Welche Handlungsempfehlungen für die Familienbildung und -beratung leiten Sie daraus ab? Welchen Beitrag kann die LAG Väterarbeit Ihrer Ansicht nach dabei leisten?
Ganz entscheidend ist, dass die LAG Väterarbeit sich weiter vernetzt mit Anbietern der Familienbildung und Familienberatung insbesondere mit den Trägern. In dieser Vernetzung sollte deutlich werden, dass die LAG Väterarbeit die Familienberatung und die Familienbildung unterstützen kann. Konkrete Ausgestaltung einer solchen Unterstützung wären zum Beispiel Kursformate, die von der LAG Väterarbeit angeboten werden und modular in Familienbildung und Familienberatung umgesetzt werden. Auch gemeinsame Veranstaltungen der Väterarbeit und der Familienbildung beziehungsweise Familienberatung halte ich für zielführend. Ganz entscheidend ist aber, dass die LAG Väterarbeit das Thema Väterarbeit in den Einrichtungen präsent hält und dafür Werbung macht.
- Neben der landesweiten Evaluation haben Sie ja auch bundesweit eine vergleichbare Untersuchung durchgeführt. Gibt es dort andere oder zusätzliche Erkenntnisse, was die Beteiligung von Vätern an den Angeboten der Familienbildung angeht?
Wir haben in allen Bundesländern Bestandsaufnahmen zu den Angeboten der Familienbildung und Familienberatung durchgeführt. In Erweiterung zur Evaluation in Nordrhein-Westfalen sind wir hier auf das Väter-Thema tiefer eingegangen. Dafür haben wir die Leitung der Einrichtung gefragt, wie sie den Väteranteil einschätzt aktuell und perspektivisch.
An den Zahlen erkennt man nur eine moderate Entwicklung beim Väteranteil. Über die Gründe, warum sich Väterbeteiligungen in der Familienberatung und der Familienbildung nur so zaghaft entwickeln, kann man mutmaßen. Vielleicht liegt der geringe Väteranteil daran, dass die Angebote zu Zeiten stattfinden, in denen Väter, die überwiegend in Vollzeit erwerbstätig sind, nicht kommen können. Ein anderer Faktor könnte sein, dass viele dieser Angebote von Frauen durchgeführt werden und Vätern dazu der Zugang fehlt. Von daher ist es wichtig, Väter in Familienbildung und -beratung als Anbieter stärker zu positionieren und mehr Väter für die Familienbildung und für die Familienberatung zu gewinnen.
Dr. David Juncke ist Prinzipal bei der Prognos AG in Düsseldorf und leitet dort den Bereich Familienpolitik