Wie Sie sich selbst, Arbeit und Familie so organisieren, dass (fast) nichts zu kurz kommt.
Den Weg, diesen Herausforderungen zu begegnen skizziert Felicitas Richter, die selbst seit 20 Jahren mit vier Kindern im HomeOffice arbeitet, in ihrem in der Reihe ‚Beck kompakt‘ erschienenen Ratgeber ‚HomeOffice mit Familie‚.
Dass es dafür einen großen Bedarf gibt, skizziert sie zu Beginn des Bandes. Durch die Nutzung der eigenen Wohnung als Arbeitsplatz im Zuge des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 sind viele Arbeitnehmende von jetzt auf gleich, relativ unvorbereitet mit dem Firmenlaptop an den Küchentisch umgezogen oder mussten ihre eigenen Ressourcen zu Hause nutzen. Die seit der industriellen Revolution immer weiter durchgesetzte Trennung von Beruf und Familie in getrennte Sphären von jetzt auf gleich weitgehend aufgelöst. ‚Nine to five‘ als ‚Schutzmauer‘ eingerissen, galt und gilt es doch auch, geschlossene Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen zumindest zeitweise zu ersetzen und die Kinder zuhause zu betreuen und zu beschulen und Erwerbs-Arbeit in Zeiten außerhalb des Familienlebens zu verlagern.
„Papa was, ist die Quadratur des Kreises?“ fragt der Sohn seinen ihm gegenübersitzenden Vater in der auf der Titelseite der Studie „Thüringer Familien in Zeiten von Corona“ abgebildeten Karikatur. „HomeOffice und Homeschooling“ antwortet dieser. Damit sind zwei Themen angesprochen, die in dem Ratgeber zwar mitschwingen, aber nicht explizit bearbeitet werden. Ich meine damit zum einen die Erwartungen an und das Verhalten von Vätern, die im Homeoffice arbeiten und das ‚Chaos‘ in der Familie scheinbar unberührt an sich abprallen lassen. Zum anderen geht es um die tatsächliche Unmöglichkeit, die volle Arbeitsverpflichtung zu leisten und parallel dazu Kinder zu beschulen. Und damit meine ich nicht die mangelnde fachliche und pädagogische Qualifikation von Müttern und Vätern. Die Versuche es doch zu leisten enden vielfach in Überforderung und Erschöpfung.
Aber auch ohne diese aktuellen Bezüge sind die Ausführungen der Autorin sehr wertvoll. Sie gibt nicht nur einfach Tipps, sondern geht das Thema von den individuellen Voraussetzungen, über die systemischen Zusammenhänge in Familien bis hin zu den Voraussetzungen bei der familienkompatiblen Arbeits(platz)gestaltung.
Die Arbeit im HomeOffice ist attraktiv, fallen doch die unter Umständen langen An- und Abfahrten zum Büro weg. Beantworten muss aber Jede und Jeder für sich die Frage, ob ich der Typ bin, der sich alleine motivieren und strukturieren kann, ob das an zwei oder drei Tagen mit klar umrissenen Arbeitsaufträgen gut geht und in welchem Maße der persönliche Austausch mit Kolleg:innen gut geht. Videokonferenzen sind zwar inzwischen gängige Praxis, die Kommunikation mit und zwischen den Kästchen auf die Dauer im wahrsten Sinne des Wortes ‚eindimensional‘.
‚Die Familie als Team‘ lautet die Überschrift des 3. Kapitels. Ja, Familie und Kinder profitieren grundsätzlich davon, wenn Eltern präsent sind und sie mitbekommen, was Mama und Papa arbeiten, aber … Es braucht klare Abgrenzungen und Regelungen. Hier schöpft Felicitas Richter vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen aus dem Vollen und ihre Hinweise sind nicht nur für HomeOffice Neulinge Insbesondere ihr Blick auf die Partnerschaft ‚es geht nur zusammen‘ hilft, mit aufkommenden Konflikten konstruktiv umzugehen.
Schließlich geht es auch noch darum, die Arbeit im HomeOffice (grundsätzlich) so zu gestalten, dass sie mit Familie und Kindern kompatibel ist. Und das nicht nur von den Arbeitsabläufen und der technischen Ausstattung her, sondern auch im Hinblick auf die erforderlichen Unterstützungssysteme.
Das dazu auch Absprachen mit den Arbeitgebenden gehören ist eigentlich banal, in den Zeiten nach dem Lockdown mit ‚verpflichtendem‘ HomeOffice, wird sich zeigen, welche Konsequenzen aus dem großen Experiment gezogen werden.
Auf den letzten Seiten werden die wichtigsten Punkte noch einmal in Form einer Checkliste zusammengefasst. Der handliche Ratgeber ist in jedem Fall empfehlenswert, für die, die schon lange diese Arbeitsform gewählt haben. Für diejenigen, die vor gut einem Jahr Hals über Kopf die Büros verlassen sollten und auch für diejenigen, die jetzt am liebsten wieder in die Ruhe des Büros flüchten würden, aber vielleicht doch zunächst die Erfahrungen der letzten 14 Monate aufarbeiten möchten. Und wie gesagt, es geht nur gemeinsam!